Überwachung und Versorgung von Dysplasien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Überwachung und Versorgung von Dysplasien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Martin Götz, Tübingen

Gastroenterology 2015, 148:639-651

SCENIC International Consensus Statement on Surveillance and Management of Dysplasia in Inflammatory Bowel Disease
Loren Laine, Tonya Kaltenbach, Alan Barkun, Kenneth R. McQuaid, Venkataraman Subramanian (6) and Roy Soetikno, for the SCENIC Guideline Development Panel

Summary of Recommendations for Surveillance and Management of Dysplasia in Patients With Inflammatory Bowel Disease

Detection of dysplasia on surveillance colonoscopy

  1. When performing surveillance with white-light colonoscopy, high definition is recommended rather than standard definition (strong recommendation, low-quality evidence).
  2. When performing surveillance with standard-definition colonoscopy, chromoendoscopy is recommended rather than white-light colonoscopy (strong recommendation, moderate-quality evidence).
  3. When performing surveillance with high-definition colonoscopy, chromoendoscopy is suggested rather than white-light colonoscopy (conditional recommendation, low-quality evidence).
  4. When performing surveillance with standard-definition colonoscopy, narrow-band imaging is not suggested in place of white-light colonoscopy (conditional recommendation, low-quality evidence).
  5. When performing surveillance with high-definition colonoscopy, narrow-band imaging is not suggested in place of white-light colonoscopy (conditional recommendation, moderate-quality evidence).
  6. When performing surveillance with image-enhanced high-definition colonoscopy, narrow-band imaging is not suggested in place of chromoendoscopy (conditional recommendation, moderate-quality evidence).

Management of dysplasia discovered on surveillance colonoscopy

  1. After complete removal of endoscopically resectable polypoid dysplastic lesions, surveillance colonoscopy is recommended rather than colectomy (strong recommendation, very low-quality evidence).
  2. After complete removal of endoscopically resectable nonpolypoid dysplastic lesions, surveillance colonoscopy is suggested rather than colectomy (conditional recommendation, very low-quality evidence).
  3. For patients with endoscopically invisible dysplasia (confirmed by a GI pathologist) referral is suggested to an endoscopist with expertise in IBD surveillance using chromoendoscopy with high-definition colonoscopy (conditional recommendation, very low-quality evidence).

Was Sie hierzu wissen müssen

Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung (CED) haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung kolorektaler Karzinome und entsprechender Vorstufen. Dies betrifft sowohl Patienten mit Colitis ulcerosa (CU) als auch Patienten mit M. Crohn (MC). Die hier vorgestellten SCENIC- (Surveillance for Colorectal Endoscopic Neoplasia Detection and Management in Inflammatory Bowel Disease Patients:International Consensus Recommendations) Leitlinien zur Überwachung der Patienten mit CED sind zeitgleich in Gastroenterology und Gastrointestinal Endoscopy erschienen und wurden von den amerikanischen Fachgesellschaften American Society for Gastrointestinal Endoscopy und American Gastroenterological Association, aber auch von der Asian Pacific Association of Gastroenterology, British Society of Gastroenterology, Canadian Association of Gastroenterology, European Society of Gastrointestinal Endoscopy und der Japan Gastroenterological Endoscopy Society verabschiedet. Sie zeigen große Übereinstimmung mit der Europäischen Leitlinie der ECCO (1).

Die Inzidenz intraepithelialer Neoplasien (IN) bei CED-Patienten ist insgesamt wahrscheinlich etwas niedriger als in ersten Studien angenommen, aber gegenüber der nichtbetroffenen Population weiter erhöht. Hauptproblem ist das oftmals flache Wachstum in (post-)entzündlich veränderter Schleimhaut, das die Detektion erschwert. Auch Patienten mit Colitis Crohn, die über den Ileozoekal-Befall hinausgeht, haben ein statistisch erhöhtes Risiko und sollten analog zu den CU-Patienten überwacht werden.

Die Empfehlung, ungezielte Stufenbiopsien zusätzlich zu Biopsien aus allen sichtbaren Läsionen zu nehmen, basiert großteils auf Studien, die vor Einführung der Videoendoskopie, insbesondere der HD-Videoendoskopie, durchgeführt wurden. In späteren Studien war selbst in der SD-Endoskopie ein großer Anteil der Läsionen sichtbar (2), Stufenbiopsien hingegen nur wenig hilfreich (3).

Zur Überwachung wird die hochauflösende (HD-)Endoskopie empfohlen. Sie erscheint der SD-Endoskopie überlegen. Dies erscheint plausibel, auch wenn die Evidenz ist hierfür noch schwach ist (4).

Falls eine nicht-hochauflösende (SD-) Endoskopie durchgeführt wird, sollte diese als Chromoendoskopie durchgeführt werden. Auch bei der HD-Endoskopie ist die Chromoendoskopie der reinen Weißlichtendoskopie überlegen. Die Chromoendoskopie ist ein Weißlicht-Endoskopieverfahren ergänzt um das Aufsprühen von Farbstoffen wie Methylenblau oder Indigocarmin zur Erhöhung des Kontrasts zwischen normaler und pathologischer Schleimhaut. Diese ist in acht Studien gegen die SD-Weißlichtendoskopie getestet worden und resultiert nach einer Metaanalyse etwa in einer Verdopplung der Patienten, bei denen eine Neoplasie gefunden werden kann, und der detektierten Läsionen. Die Anzahl der Chromoendoskopien, die durchgeführt werden müssen, um einen zusätzlichen Patienten mit IN zu entdecken, war in einer weiteren Metaanalyse 14,3 (5). Die Chromoendoskopie wird daher sowohl mit der SD- als auch mit der HD-Endoskopie empfohlen. Virtuelle Chromoendoskopieverfahren können das Aufsprühen von Farbe bisher nicht ersetzen (6, 7), hier laufen aktuell weitere Studien.

Virtuelle Chromoendoskopieverfahren (NBI, i-scan oder FICE) können die Chromoendoskopie nicht ersetzen und werden nicht empfohlen. Zur Frage, ob durch die neuen Endoskopieverfahren auf die Stufenbiopsien verzichtet werden kann, konnte die SCENIC-Gruppe keinen Consensus herstellen. Die ECCO-Leitlinien beziehen hier für die Routineüberwachung deutlicher Stellung (1): Wenn die Überwachung als Chromoendoskopie durchgeführt wird, ergibt sich durch die Stufenbiopsien kein signifikanter Zugewinn. Stufenbiopsien sind demnach nur bei Weißlichtendoskopie empfohlen. Dies könnte den erhöhten Zeitbedarf durch die Chromoendoskopie kompensieren.

Eine praktisch relevante Veränderung der Terminologie wird vorgeschlagen: die Termini „sichtbare Läsion“ (mit praktischer Unterteilung „endoskopisch resezierbare Läsion“ und „endoskopisch nicht resezierbare Läsion“) bzw. „nicht sichtbare Läsion“ sollten „DALM“ (dysplasia-associated lesion or mass), „adenomartige Läsion“ und „nicht-adenomartige Läsion“ ersetzen.

Zur endoskopisch-makroskopischen Unterscheidung von Läsionen folgt die SCENIC-Leitlinie einem auch in anderen Leitlinien begangenem praktischen Weg und unterteilt die Läsionen in solche, die endoskopisch sichtbar sind und solche, die als endoskopisch nicht sichtbare Läsionen nur durch Quadrantenbiopsien entdeckt wurden. Erstere können nach inzwischen umfangreichen Untersuchungen dann endoskopisch gut und kurativ reseziert werden, wenn

  • klare Grenzen sichtbar sind (hier hilft die Chromoendoskopie),
  • die Läsion makroskopisch komplett entfernt ist,
  • dies histologisch bestätigt wird,
  • in der unmittelbaren Umgebung durch Biopsien um die Resektionsstelle keine weiteren Neoplasien nachgewiesen werden und
  • das übrige Colon ohne weitere Neoplasien ist.

Nach kompletter endoskopischer Resektion einer Läsion wird die intensive Überwachung anstelle der Proktokolektomie vorgeschlagen. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse über 376 Patienten mit polypoider Neoplasie, die reseziert worden war, war die jährliche Inzidenz für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms 0,5% (8). Ob dies für die Patienten akzeptabel ist, muss individuell besprochen werden (siehe auch (9)).

Bei nicht sichtbarer Läsion (Zufallsbiopsie) wird die Überweisung an ein Expertenzentrum vorgeschlagen. Dies beruht darauf, dass das Vorgehen bei einer (durch Referenzpathologie bestätigten) Neoplasie in einer ungezielten Quadrantenbiopsie (nicht sichtbare Neoplasie) schwieriger zu definieren ist. Hier sollte zunächst durch einen in der Überwachung von CED-Patienten erfahrenen Endoskopiker mit Chromoendoskopie versucht werden, die Läsion aufzufinden (und ggf. zu resezieren). Die aus früheren Studien kolportierten hohen Raten an simultanen weiteren Läsionen und sogar Karzinomen sind wahrscheinlich angesichts der besseren Auflösung der heutigen Instrumente von geringerer Relevanz. Eine Proktokolektomie kann besprochen werden, jedoch zeigen weitere Studien die Zurückhaltung der Patienten gegenüber einer solchen unmittelbaren „Maximaltherapie“: Im Durchschnitt würden die Patienten einer operativen Dickdarmentfernung nur zustimmen, wenn das Risiko eines simultanen Karzinoms bei 73% läge (9). Daher erscheint auch eine engmaschige Überwachung (z. B. nach 6 Monaten) adäquat.


Zusammengefasst bleibt also die HD-Chromoendoskopie der Goldstandard in der Überwachungskoloskopie von CED-Patienten. Intraepitheliale Neoplasien werden nicht mehr als unmittelbarer Grund zur Proktokolektomie gesehen, sondern können unter bestimmten Kautelen endoskopisch gut und kurativ reseziert werden, Adhärenz des Patienten zu einer engmaschigen Nachüberwachung vorausgesetzt.


Literatur

  1. Annese V, Daperno M, Rutter MD, Amiot A, Bossuyt P, East J, Ferrante M, Gotz M, Katsanos KH, Kiesslich R, Ordas I, Repici A, Rosa B, Sebastian S, Kucharzik T, Eliakim R. European evidence based consensus for endoscopy in inflammatory bowel disease. J Crohns Colitis 2013;7:982-1018.
  2. Rutter MD, Saunders BP, Wilkinson KH, Kamm MA, Williams CB, Forbes A. Most dysplasia in ulcerative colitis is visible at colonoscopy. Gastrointest Endosc 2004;60:334-9.
  3. van den Broek FJ, Stokkers PC, Reitsma JB, Boltjes RP, Ponsioen CY, Fockens P, Dekker E. Random Biopsies Taken During Colonoscopic Surveillance of Patients With Longstanding Ulcerative Colitis: Low Yield and Absence of Clinical Consequences. Am J Gastroenterol 2011.
  4. Subramanian V, Ramappa V, Telakis E, Mannath J, Jawhari AU, Hawkey CJ, Ragunath K. Comparison of high definition with standard white light endoscopy for detection of dysplastic lesions during surveillance colonoscopy in patients with colonic inflammatory bowel disease. Inflamm Bowel Dis 2013;19:350-5.
  5. Subramanian V, Mannath J, Ragunath K, Hawkey CJ. Meta-analysis: the diagnostic yield of chromoendoscopy for detecting dysplasia in patients with colonic inflammatory bowel disease. Aliment Pharmacol Ther 2011;33:304-12.
  6. van den Broek FJ, Fockens P, van Eeden S, Stokkers PC, Ponsioen CY, Reitsma JB, Dekker E. Narrow-band imaging versus high-definition endoscopy for the diagnosis of neoplasia in ulcerative colitis. Endoscopy 2011;43:108-15.
  7. Ignjatovic A, East JE, Subramanian V, Suzuki N, Guenther T, Palmer N, Bassett P, Ragunath K, Saunders BP. Narrow band imaging for detection of dysplasia in colitis: a randomized controlled trial. Am J Gastroenterol 2012;107:885-90.
  8. Wanders LK, Dekker E, Pullens B, Bassett P, Travis SP, East JE. Cancer risk after resection of polypoid dysplasia in patients with longstanding ulcerative colitis: a meta-analysis. Clin Gastroenterol Hepatol 2014;12:756-64.
  9. Siegel CA, Schwartz LM, Woloshin S, Cole EB, Rubin DT, Vay T, Baars J, Sands BE. When should ulcerative colitis patients undergo colectomy for dysplasia? Mismatch between patient preferences and physician recommendations. Inflamm Bowel Dis 2010;16:1658-62.

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